Wilmesau/Wilamowice – die noch existente Sprachinsel im schlesisch-kleinpolnischen Grenzraum und die Legende über ihren niederländischen Ursprung

Im Süden Polens liegt die Kleinstadt Wilamowice, deutsch Wilmesau, deren Einwohner einen germanischen Dialekt sprechen. Es handelt sich um eine schlesische Mundart des Deutschen aus der Gruppe der ostmitteldeutschen Dialekte, aber die meisten Einwohner und fast alle Polen sind von der flämischen Herkunft ihrer mittelalterlichen Vorfahren überzeugt. Dieser Beitrag verfolgt das Ziel, zu prüfen, inwiefern die mythenumwobene flämische Herkunft der Wahrheit entspricht. Es reicht jedoch nicht, die Ähnlichkeit der dortigen Mundart mit der deutschen und niederländischen Standardsprache zu vergleichen,... Mehr ...

Verfasser: Grzegorz Chromik
Dokumenttyp: Artikel
Erscheinungsdatum: 2020
Reihe/Periodikum: Linguistica, Vol 60, Iss 2 (2020)
Verlag/Hrsg.: University of Ljubljana Press (Založba Univerze v Ljubljani)
Schlagwörter: Sprachinsel / Schlesisch / Bielitz / Wilamowice/Wilmesau / Philology. Linguistics / P1-1091
Sprache: Deutsch
Englisch
Französisch
Italian
Slovenian
Permalink: https://search.fid-benelux.de/Record/base-26852860
Datenquelle: BASE; Originalkatalog
Powered By: BASE
Link(s) : https://doi.org/10.4312/linguistica.60.2.45-63

Im Süden Polens liegt die Kleinstadt Wilamowice, deutsch Wilmesau, deren Einwohner einen germanischen Dialekt sprechen. Es handelt sich um eine schlesische Mundart des Deutschen aus der Gruppe der ostmitteldeutschen Dialekte, aber die meisten Einwohner und fast alle Polen sind von der flämischen Herkunft ihrer mittelalterlichen Vorfahren überzeugt. Dieser Beitrag verfolgt das Ziel, zu prüfen, inwiefern die mythenumwobene flämische Herkunft der Wahrheit entspricht. Es reicht jedoch nicht, die Ähnlichkeit der dortigen Mundart mit der deutschen und niederländischen Standardsprache zu vergleichen, man muss tiefer in die Vergangenheit greifen und sie mit älteren Perioden des Deutschen, insbesondere des Deutschen in Schlesien vergleichen. Dieser Vergleich zeigt weitgehende Ähnlichkeiten, die natürlich gegenüber dem Niederländischen nicht vorhanden sind. Vor allem trennt die im Wilmesaurischen durchgeführte 2. Lautverschiebung diese Mundart vom Niederländischen, wenn auch der Durchführungsgrad insbesondere im Bereich der Verschiebung von p zu pf nicht so stark ist, wie in der deutschen Standardsprache (wilmesaurisch: töp ‘Topf‘, troppa ‘Tropfen‘, fund ‚Pfund‘). Der Mythos erweist sich als ein attraktiver, exotischer Mythos ohne jegliche wissenschaftliche Begründung. Mittlerweile ist man sogar bemüht, die Mundart als separate germanische Mikrosprache anerkennen zu lassen. Schade nur, dass dieser Dialekt vom Aussterben bedroht ist, da die Zahl der aktiven Sprecher zur Zeit circa zwanzig beträgt.