Die „Revolte“ von Mützenich (1949). Ein Eifeldorf als Indikator der deutsch-belgischen Nachkriegsbeziehungen

peer reviewed ; Am 27. Mai 1949 suspendierte der Aachener Regierungspräsident Ludwig Philipp Lude den Gemeinderat des Eifeldörfchens Mützenich, eine Entscheidung, die der nordrhein-westfälische Innenminister Walter Menzel noch am selben Tag bestätigte. Der Kreistag bestellte sich zur Gemeinderegierung und eine kommissarische Bürgermeisterin wurde ernannt. Eine Petition war der Grund für diese ebenso drastische wie ungewöhnliche Maßnahme. Die Gemeindevertreter hatten sie an das belgische Außenministerium in Brüssel gerichtet, um die Angliederung ihres Dorfs an Belgien zu fordern. Diese „Revolte... Mehr ...

Verfasser: Brüll, Christoph
Dokumenttyp: journal article
Erscheinungsdatum: 2012
Schlagwörter: German-Belgian frontier / Postwar 1945 / German-belgian relationship / Arts & humanities / History / Arts & sciences humaines / Histoire
Sprache: Deutsch
Permalink: https://search.fid-benelux.de/Record/base-26513296
Datenquelle: BASE; Originalkatalog
Powered By: BASE
Link(s) : https://orbi.uliege.be/handle/2268/100865

peer reviewed ; Am 27. Mai 1949 suspendierte der Aachener Regierungspräsident Ludwig Philipp Lude den Gemeinderat des Eifeldörfchens Mützenich, eine Entscheidung, die der nordrhein-westfälische Innenminister Walter Menzel noch am selben Tag bestätigte. Der Kreistag bestellte sich zur Gemeinderegierung und eine kommissarische Bürgermeisterin wurde ernannt. Eine Petition war der Grund für diese ebenso drastische wie ungewöhnliche Maßnahme. Die Gemeindevertreter hatten sie an das belgische Außenministerium in Brüssel gerichtet, um die Angliederung ihres Dorfs an Belgien zu fordern. Diese „Revolte von Mützenich“ dauerte bis in den Spätsommer 1949 und erhitzte die Gemüter auf beiden Seiten der deutsch-belgischen Grenze. Die Geschichte vom schließlich doch deutsch gebliebenen Eifeldorf, das belgisch werden wollte, könnte als Episode, als Anekdote für Lokal- und Heimatgeschichtler abgetan werden, sie kann aber auch als ein Indikator, sogar als ein Spiegel der deutsch-belgischen Nachkriegsbeziehungen betrachtet werden, was im Folgenden versucht werden soll. Eine solche Betrachtung beruht nicht zuletzt auf der Annahme, dass der Grenzraum kein bloßes Objekt von großer Politik und Nachkriegsregelungen war, sondern dass er ein durchaus eigenständiges Untersuchungsfeld darstellt, dessen Akteure und Handlungen mit der diplomatisch-politischen Ebene interagieren. Dies darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass der deutsche Grenzraum für Belgien nach 1945 zuvorderst ein Reparationsraum war. Die Parallelen zur „ersten“ Nachkriegszeit nach 1918 sind hier unübersehbar. Denn neben die Ansprüche trat auch die Präsenz belgischer Soldaten in der britischen Besatzungszone, die von der Regierung in Brüssel als Garanten der belgischen Interessen gegenüber dem besetzten Deutschland betrachtet wurden. In den Reaktionen auf Besatzung und Reparationsansprüche spiegelt sich jedoch auch die schwierige sozioökonomische Situation der Eifeldörfer in den ersten Nachkriegsjahren wider. Zerstörung, Strukturschwäche und die Folgen der Grenzlage ...